Sonntag, 17. Februar 2013

Grauer Morgen




Bumm, bumm, bumm. Der Fußboden dröhnt. Wie kann mein kleiner Sohn beim Laufen so einen Lärm verursachen? Ich ziehe mir die Decke über den Kopf und versuche weiterzuschlafen. Vergeblich. Scheppernd kippt Malte den Legokasten aus. Neben mir schnarcht mein Mann. Nur ich wälze mich hin und her, bis ich mich hochquäle. Dabei ist es noch nicht einmal hell. 
Ich luge durch die Gardine. Draußen ist alles grau in grau. Seit Tagen regnet es. Im Wohnzimmer schalte ich das Licht an. Die gelbe Primel habe ich zur Stimmungsaufhellung gekauft. Eigentlich hätte ich sie längst im Garten einpflanzen müssen. Aber bei dem Wetter? Jetzt verkümmert sie im zu kleinen Topf. Draußen blühen die Schneeglöckchen. Wenigstens die können mich erfreuen. Ich ziehe die Rollos hoch. Was ist das? Wo ist die Pracht? Gestern stand ein dickes Büschel noch direkt vor dem Fenster!
„Malte", kreische ich.
Er kommt im Schlafanzug angesprungen. Ich zeige auf die kahle Fläche.
„Wo sind meine Blumen?"
Mit weit aufgerissenen Augen schaut er mich unschuldig an. „In meinem Beet."
Ich blicke zur Hecke. Liebevoll mit Steinen eingefasst ist Maltes Beet. Damit es im Winter nicht zu kahl aussieht, hat er eine blaue und eine rote Windmühle hineingesteckt. Dazwischen liegt ein kümmerlicher blassweißer Haufen.
„Malte, die blühen erst im nächsten Jahr wieder."
Das beeindruckt ihn nicht. „Ein paar habe ich für dich übriggelassen."
Ich schaue genau hin. Tatsächlich. Hinter dem Kirschbaum sind zwei kleine weiße Punkte zu erkennen.

©Annette Paul

Sonntag, 10. Februar 2013

Plötzlich ist alles andere unwichtig



Wie gewohnt hetzte Sandra von der Arbeit zum Kindergarten. Mit Lisa im Schlepptau besorgte sie den wöchentlichen Großeinkauf. Während sie den Einkaufswagen durch die Gänge schob, hatte sie keine Zeit auf Lisas Geplapper zu achten.
„Nachher, Liebling“, blockte sie ab und stopfte Lisa in den Einkaufswagen.
Das Gejage ging weiter. Geschirrspüler anstellen, Waschmaschine füllen, Tisch aufdecken.
Lisa wuselte um sie herum und machte sie noch nervöser. Wo Achim wohl blieb? Er wollte doch das Badezimmer streichen! Außerdem musste er auf Lisa aufpassen, damit Sandra ihren Computerkurs besuchen konnte.
Es klingelte an der Tür. Verwundert erblickte Sandra Jörg, Achims Kollegen.
„Was ist los?“, fragte sie und verstand nicht, warum ein ungutes Gefühl sie beschlich.
„Darf ich hereinkommen?“, bat Jörg.
Sanft drängte er Sandra ins Wohnzimmer und ließ sie auf dem Sofa Platz nehmen.
„Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll“, stotterte Jörg.
Schweigend wartete Sandra.
„Achim. - Achim hatte einen Herzinfarkt.“


©Annette Paul