Sonntag, 3. März 2013

Die Hauptfigur



Marie tippte was das Zeug hielt, heute brach sie alle Geschwindigkeitsrekorde. Sie wollte unbedingt Zeit herausschinden, um an ihrem Roman weiterarbeiten zu könnnen.
Eine halbe Stunde vor Feierabend nahm sie die letzten Blätter aus dem Drucker und legte sie in die Unterschriftenmappe.
Endlich konnte sie ihren Liebesroman auf den Bildschirm rufen. Seit Wochen arbeitete sie in jeder freien Minute an dieser Geschichte. Ihr Lieblingschef hatte es ihr erlaubt, wenn sie mit der Arbeit fertig war.
Aber was war das? Auf dem Bildschirm erschien André, ihr Romanheld. Blonde Locken, blaue Augen, groß und muskulös. Er verschränkte seine Arme vor der Brust und schaute sie böse an.
„He, was machst du denn hier?“, fragte sie.
„Ich will mich beschweren, du behandelst mich so schlecht. Warum bekomme ich Monique nicht? Ich liebe sie und will sie heiraten, aber du willst mich mit dieser blöden Veronique verkuppeln.“
Marie schluckte. Wo sollte es hingehen, wenn jeder selbst bestimmte, was er tun wollte?
„Nein, du kriegst Veronique, die passt viel besser zu dir.“
Dominique erschien neben André. Klein, drahtig und dunkel. „Warum kannst du mich nicht sympathischer machen? Ich bin nicht der Bösewicht. Ich möchte nur meine große Liebe Veronique heiraten. Andre will sie doch gar nicht, warum darf ich sie dann nicht haben? Und außerdem: Ich bin kein Verbrecher. Ich würde Veronique nie gegen ihren Willen entführen.“
Nein, das ging überhaupt nicht. Marie brauchte doch einen Gegenspieler.
Jetzt tauchten auch noch die rothaarige Veronique und die brünette Monique auf und beschwerten sich.
„Ja, Kinder, macht ihr denn alle das, was ihr wollt?“, fuhr Marie sie an.
„Warte doch ab, was passiert, wenn du uns machen lässt“, meinte André.
„Ach was, die will doch gar keinen Bestseller schreiben, sonst hätte sie schon längst auf uns gehört.“ Veronique warf Dominique einen verführerischen Blick zu.
Marie schluckte. War die Beschwerde wirklich grundlos? Schnell schrieb sie sich ein paar Stichworte auf. Anschließend fuhr sie den Computer herunter. Im Auto auf der Heimfahrt überlegte sie sich die Einwände. Vielleicht hatten die Figuren recht, natürlich hatten sie recht!
Sie würde den ganzen Aufbau noch einmal ändern!



© Annette Paul