Sonntag, 14. Dezember 2014

Lichter der Hoffnung



Nasse Kälte,
grauer Himmel,
fröstelnd ziehen wir uns zurück.
Versammeln uns um kleine Lichter
der Hoffnung.

©Annette Paul

Sonntag, 7. Dezember 2014

Sentimentaler Quatsch

Illustration von Krisi Sz.-Pöhls
Verdrossen stapfte Sigurd von einem Fuß auf den anderen. Musste im Supermarkt dieses blöde Weihnachtsgedudel spielen? Er hielt nichts vom Christfest, war froh, dass ihm Inge nicht mehr mit ihrer Sentimentalität auf den Geist ging. Trotzdem musste er ein paar Lebensmittel einkaufen, bevor die Läden drei Tage geschlossen waren. Nun stand er zwischen hektischen Frauen, erwartungsvollen Kindern und genervten Ehemännern eingezwängt, schaute auf die letzten Schokoladenweihnachtsmänner an der Kasse und hörte Weihnachtslieder.
Es schneite, als er nach Hause lief. Die alte Frau Meyn von gegenüber quälte sich mit dem Schneeschieber ab. Kurzerhand stellte er seine Tasche auf den Betonpfeiler ihrer Gartenpforte, nahm ihr die Schaufel ab und schob den Schnee schnell beiseite.
„Oh, vielen Dank, warten Sie einen Augenblick", sagte die alte Dame und verschwand in ihrem Haus.
Sigurd fegte den Eingang und die Treppe. Dann streute er Sand.
„Eine Kleinigkeit für Sie. Ich darf es doch wegen des Zuckers nicht essen", sagt Frau Meyn und hielt ihm ein in Weihnachtspapier verpacktes Geschenk hin.
Sigurd wollte ablehnen, aber als er in ihr strahlendes Gesicht blickte, brachte er es nicht über sich. Er bedankte sich, schnappte seine Tasche und verschwand.
Kaum hatte er seine Einkäufe verstaut, klingelte es. An der Tür stand Sascha mit einer großen Tasche.
„Sigurd, du musst uns retten. Unser Weihnachtsmann hat abgesagt."
„Und was hat das mit mir zu tun?"
„Du hast doch nichts vor und da dachten wir ..."
„Ich? Nee, schlag es dir aus dem Kopf."
„Das geht nicht. Merle und Joakim warten auf den Weihnachtsmann."
Sigurd schüttelte den Kopf.
„Du bist uns einen Gefallen schuldig. Schließlich hat Kathrin für dich eingekauft, als du den Gipsfuß hattest."
Mit zusammengebissenen Zähnen nahm Sigurd die Tasche und die Anweisungen entgegen.
 

Sonntag, 30. November 2014

Lina und Marco helfen Mama



„Ob ich den großen Bagger zu Weihnachten bekomme?", fragt Marco. Er malt ein buntes Bild. Sein Weihnachtsgeschenk für Papa.
„Weiß nicht. Mir fehlen noch Geschenke. Mama wollte mit mir ein Lebkuchenhaus für Oma und Sterne für Tante Anna basteln. Aber sie hat nie Zeit. Immer muss sie putzen oder einkaufen ", sagt Lina. Sie setzt sich mit einem Buch auf ihr Bett und fängt an zu lesen.
Marco malt einen blauen Himmel. Seine Zunge bewegt sich zwischen den Lippen hin und her. Der Weihnachtsmann mit seinem Schlitten ist schon fertig. Ganz doll drückt er den Stift auf.
„Ich weiß, was ich Mama schenke. Ich helfe ihr beim Putzen", sagt er.
Lina schaut von ihrem Buch hoch. „Das ist eine gute Idee. Wir machen den Abwasch."
Sie gehen in die Küche. Lina lässt Wasser in die Spüle. Sie wäscht ab, und Marco trocknet ab. Das saubere Geschirr stellt er auf den Tisch. Lina räumt es in die Schränke.
Als sie fertig sind, holt Lina den Staubsauger und saugt. Erst ihr Kinderzimmer, dann das Wohnzimmer und schließlich den Flur.
Marco wischt Staub. Den Schuhschrank im Flur, den Wohnzimmertisch, die Stühle, die Stehlampe. Oben auf den Schrank kommt er nicht an. Der bleibt halt staubig. Im Kinderzimmer säubert er Linas Schreibtisch, die Kinderstühle und das Regal.
Anschließend will Marco das Badezimmer saubermachen. Aus der Küche holt er Waschpulver. Dann trägt er eine Spielzeugkiste ins Badezimmer. Damit er ankommt. Ganz viel weißes Pulver kippt er ins Waschbecken. Er nimmt einen Lappen und wischt. Es ist lustig, es schäumt so schön. Nach einer Weile dreht er den Wasserhahn auf und spült die Seife weg. Das ist gar nicht so einfach. Der Schaum will und will nicht weggehen, obwohl er mit dem Zahnputzbecher Wasser vom Rand herunterlaufen lässt. Nach einer Weile findet er es sauber genug.
Jetzt geht er zum Klo. Er schüttet ordentlich viel Pulver ins Wasser. Er nimmt die Klobürste und bürstet auf und ab. Es spritzt. Aber das stört ihn nicht. Die Seife schäumt viel besser als im Waschbecken. Er wischt im Kreis herum. Der Schaum dreht sich mit. Das ist lustig.
„Du meine Güte, was machst du da?", fragt Mama.
Marco blickt auf. Er strahlt Mama an. „Das ist unser Weihnachtsgeschenk für dich", sagt er. Aber warum sieht Mama so böse aus?
Mama setzt sich auf den Badewannenrand.
„Was macht Lina?", fragt sie mit so einer komischen Stimme.
Marco guckt zu Boden. Auf dem Fußboden ist Wasser. Unter dem Klo schwimmt Schaum. Der Vorleger ist nicht mehr hellblau, sondern dunkelblau. So nass ist er. Seine Hausschuhe sind auch ganz durchgeweicht. Und am Waschbecken sind außen weiße Streifen. Die waren vorhin noch gar nicht da. Marco kommen Tränen.
Mama geht zu den Handtüchern. Ihre Schuhe machen ein schmatzendes Geräusch, wenn sie die Füße hochhebt.
Sie wirft die Handtücher auf den Boden. Ganz schnell saugen die sich voll.
„Wir wollten dir helfen, weil du vor Weihnachten immer soviel zu tun hast", sagt Lina. „Wir haben abgewaschen und die Wohnung gesaugt und unseren Schrank aufgeräumt."
„Und ich habe den Staub weggewischt", schluchzt Marco.
Mama nimmt Marco und Lina in die Arme. „Das ist lieb von euch." Dann küsst sie Marcos Tränen weg. „Am besten mache ich dieses Jahr keinen Großputz vor Weihnachten. Dem Weihnachtsmann ist es bestimmt egal."
Sie schickt Marco in das Kinderzimmer. Er soll sich trockene Sachen anziehen. Lina holt einen Eimer und den Wischlappen. Mama wischt das Wasser vom Fußboden. Und Lina packt die Handtücher in die Waschmaschine. Marco darf das Waschpulver einfüllen.
Danach kochen sie zusammen Kakao. Sie setzen sich in die Küche, trinken den Kakao und essen Kekse. Im Radio spielen Weihnachtslieder. Und auf dem Tisch brennt eine Kerze. Jetzt ist es richtig gemütlich in der Küche.

©Annette Paul

Sonntag, 26. Oktober 2014

Wegsehen



Wie gewohnt verdrängte Gerhard den Gedanken. Was hätte er schon tun können? Und was half es, jetzt darüber nachzugrübeln? Was geschehen war, war geschehen. Fluchend knallte er das Buch auf den Tisch. Er konnte sich nicht darauf konzentrieren. Immer wieder erschienen die Bilder vor seinem geistigen Auge.
Genervt schaltete Gerhard den Fernseher an. Ein Bericht über Afrika. Er zappte weiter, ein Krimi mit einem Farbigen. Gab es denn nichts Neutrales? Die Erinnerungen drängten sich machtvoll auf, ließen sich nicht mehr wegschieben. Damals auf dem Bahnhof, als ein Farbiger verprügelt wurde und alle wegschauten. Auch er. Der Junge hatte ihn hilfesuchend angesehen, Augenkontakt gesucht. Doch Gerhard konnte sich nicht einmischen. Drei gegen einen! Und sie waren mit Baseballschlägern und Fliegerstiefeln bewaffnet gewesen. Die anderen Passanten waren gleich weitergeeilt, hatten so getan, als ob sie nichts bemerkten. Nur er hatte kurz gezögert. Als aber zwei der Schläger ihn drohend anblickten und der eine auch noch mit seinem Baseballschläger spielte, ging Gerhard weg.
Als er sich sicher glaubte, drehte er sich um. Vom anderen Ausgang liefen Polizisten auf die Gruppe zu. Die Männer flüchteten, ließen ihr Opfer regungslos am Boden zurück. Also hatte jemand Hilfe herbeigerufen. Gerhard fühlte sich beschämt. Hätte er bloß die anderen überredet, gemeinsam mit ihm vorzugehen. Aber was hätte das schon genützt? Unbewaffnete Männer gegen so einen Schlägertrupp.
Endlich fand Gerhard eine Comedy. Genau das Richtige, um sich abzulenken.

©Annette Paul

Sonntag, 21. September 2014

Die Puppe Barbarella



Marie geht mit Mama in ein Kaufhaus. Mama hat ganz viele Dinge auf ihrem Zettel, die sie einkaufen muss. Marie bleibt beim Spielzeug stehen und schaut einer Eisenbahn zu. Die Lokomotive fährt im Kreis, erst durch einen Tunnel und dann an einem Bahnhof vorbei. Ganz lange steht Marie da.
Wo ist Mama? Erschrocken schaut Marie nach rechts und links. Aber Mama ist nirgends. Marie läuft an den Regalen entlang. In jeden Gang sucht sie. Sie ist schon ganz verzweifelt. Wie soll sie Mama wiederfinden? Dicke Tränen rollen über ihre Wangen.
„Weine nicht. Ich bringe dir deine Mama herbei, wenn du mir hilfst", sagt eine Stimme.
Marie blickt hoch. Sie dreht sich um sich selbst. Da ist niemand.
„Hier im Regal", sagt die Stimme.
Vor ihr liegen ganz viele kleine Puppen. Eine Puppe trägt ein glänzenden blauen Umhang und einen hellblauen Schleier im Haar. Mit dem Stab in ihrer Hand winkt sie Marie zu. „Du musst uns helfen", sagt die Fee.
„Ich bin viel zu klein", antwortet Marie.
Die Fee schwebt zu Marie, setzt sich auf ihre Schulter und streichelt sie.
„Doch, du kannst uns helfen. Nur du. Schau, die Erwachsenen und auch die anderen Kinder können uns nicht hören."
„Und was soll ich machen?" Marie glaubt nicht, dass sie helfen kann.
„Meine Kameraden sind verzaubert. Sie können sich nicht mehr bewegen. Du musst den Hampelmann bei der Hexe befreien", erklärt die Fee.
Marie trägt die Fee auf ihrer Hand und läuft weiter, vorbei an den Spieluhren. Eine Uhr spielt „Kommt ein Vogel geflogen". Marie singt mit und tanzt dazu.
„Die Kleine ist aber niedlich", sagt eine ältere Dame zu einer Verkäuferin. Die Verkäuferin beugt sich zu Marie hinunter und fragt: „Bist du alleine hier?"
„Ich habe meine Mama verloren." Marie schluckt wieder.
Die Verkäuferin bringt Marie zur Kasse. Da steht eine große Frau mit roten Haaren und goldenen Ringen in den Ohren. Sie schaut Marie böse an.
„Geklaut wird hier nicht."
„Ich habe nicht geklaut." Marie kommen die Tränen. Die Puppe hält sie ganz fest in ihrer Hand.
„Sie ist verlorengegangen", sagt die Verkäuferin.
„Gib die Puppe her."
Marie legt die Fee auf den Verkaufstisch.
„Wie heißt du?", fragt die Rothaarige.
„Marie."
„Und weiter?"
„Marie."
Hinter der Kasse steht ein Papierkorb. Der Deckel ist nicht richtig zu und Marie sieht durch einen Spalt einen Hampelmann im Papierkorb liegen.
„Du hast doch einen Nachnamen", herrscht die Hexe sie an.
Marie fängt an zu weinen. Sie schluchzt ganz laut. Kann ihr die Fee nicht helfen? Aber die Puppe liegt starr auf dem Tisch.
„Lassen Sie das Kind in Ruhe", schimpft die ältere Dame.
Marie zeigt auf den Papierkorb.
„Ich will den Hampelmann." Ganz leise flüstert sie es. Aber die Rothaarige versteht es trotzdem.
„Erst klaust du die Puppe und dann ..." Die Hexe bekommt ein rotes Gesicht. Es ist fast so rot wie ihre Haare.
„Bitte, Frau Brocken, der Hampelmann ist doch kaputt. Er ist nur noch Müll."
„Die Puppe bezahle ich." Die ältere Dame legt einen Geldschein auf den Verkaufstresen. „Und jetzt lassen Sie endlich die Mutter ausrufen."
Die Verkäuferin telefoniert. Anschließend bückt sie sich und holt den Hampelmann aus dem Mülleimer.
„Da!" Sie reicht ihn Marie.
Die Hexe sagt nichts mehr.
„Deine Mama kommt gleich“, fügt die Verkäuferin hinzu, bevor sie zu einem Kunden eilt . Hinter ihr fängt das Spielzeug an zu reden und zu lachen. Eine Puppe steht auf und tanzt mit dem Teddybären. Der Clown schlägt Purzelbäume und die Autos veranstalten ein Wettrennen.
„Ich habe doch gesagt, du kannst uns helfen", sagt die Fee und zwinkert Marie zu.
„Du warst sehr tapfer", sagt der Hampelmann und hebt Arme und Beine hoch.
„Sprecht ihr weiterhin mit mir?", fragt Marie.
„Solange du uns brauchst, ja. Aber nur, wenn wir alleine sind", sagt die Fee und schwingt ihren Zauberstab.
Neben der Rolltreppe funkeln bunte Sterne und als sie verblassen, steht Mama da.
„Marie, ich habe dich schon überall gesucht", sagt Mama und nimmt Marie in ihre Arme.